Japan heute und morgen

11. Tagung des Komitees für das 21. Jahrhundert

Demokratie und Marktwirtschaft in Mittel- und Südosteuropa, Sicherheit in Europa und Kulturaustausch zwischen Japan und Österreich waren die Themen der diesjährigen Tagung des Österreichisch-Japanischen Komitees für das 21. Jahrhundert. Dieser gemischte „Weisenrat” zur Diskussion langfristiger Probleme gemeinsamen Interesses, der ein fester Bestandteil der beiderseitigen Beziehungen geworden ist, hielt am 5. und 6. November 2007 in Tokio unter dem Vorsitz von Univ.-Prof. NR a. D. Dr. Gerhart Bruckmann und Yoshio Ishizaka, Senior Advisor der Toyota Motor Corporation, seine 11. Tagung ab.

Demokratie und Marktwirtschaft in Mittel- und Südosteuropa

Der Botschafter Japans in Österreich, Itaru Umezu, referierte über die wertorientierte Außenpolitik Japans, welche die Vielfalt von Meinungen und Kulturen auf der Welt als gegeben akzeptiere. Ein wichtiger Wendepunkt in der japanischen Diplomatie war das Abkommen von Dayton 1995, nach dessen Unterzeichnung Japan beschloss, eine aktive Rolle bei der Lösung der Jugoslawienkrise zu spielen. Japan habe dies als Chance gesehen, seine relativ schwach ausgeprägten Beziehungen zu Europa zu stärken, und hoffte im Gegenzug auf europäisches Engagement in der Nordkoreafrage. Nach Auffassung Tokios sei für Frieden und Prosperität eine starke Zusammenarbeit zwischen Japan, der EU und den USA essentiell.

Umezu hob die wirtschaftlichen Erfolge Österreichs in den mittel- und südosteuropäischen Staaten seit dem Fall des Kommunismus hervor. Japan könne davon lernen. Japanische Firmen sollten in dieser Region verstärkt mit österreichischen Firmen kooperieren. Dabei rief er die von Österreich und Japan im Oktober 2006 in Wien und im März 2007 in Tokio von Japan veranstalteten Seminare über Investmentchancen in Südosteuropa in Erinnerung und schlug vor, ein Folgeseminar hiezu über Investitionsförderung in der Region in Österreich abzuhalten. Weiters machte er den Vorschlag, im Österreich-Japan-Jahr 2009 ein gemeinsames Symposium über die Erfahrungen Österreichs, Japans und der Länder Mittel- und Südosteuropas zu organisieren.

Botschafter i. R. Dr. Nikolaus Scherk betonte in seinem Referat über die Politik der EU in Mittel- und Osteuropa eingangs die Wertschätzung Österreichs für das japanische Engagement in Mittel- und Südosteuropa. Für die Europäische Union sei es immer selbstverständlich gewesen, eine Wertegemeinschaft zu sein und daher auf die Einhaltung von Werten wie Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in dieser Region zu pochen. Nach dem Fall des Kommunismus habe es bei den Staaten Mittel- und Osteuropas einen starken Drang gegeben, der Wertegemeinschaft EU beizutreten. Scherk beschrieb in der Folge die Erfolge, die die neuen EU-MS auf dem Weg der Reformen erzielt haben, und unterstrich, dass die beiden so genannten Ost-Erweiterungen der EU 2004 und 2007 ohne größere Probleme über die Bühne gegangen seien. Um den Unterschied im Pro-Kopf-Einkommen zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten zu reduzieren, wird in der Periode 2007-13 pro Jahr ca. ein Viertel des EU-Haushaltes zur Unterstützung der neuen Mitgliedstaaten ausgegeben, und dies trägt Früchte.

Die Kandidatenländer Kroatien, Türkei und Mazedonien sowie jene Länder Südosteuropas, die ebenfalls eine europäische Perspektive haben und die im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses näher an die EU herangeführt werden sollen, erhalten von der EU ebenfalls wirtschaftliche Unterstützung, die an Reformen im Sinne von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung etc. gekoppelt ist. Wichtig sei die Tatsache, dass für alle Kandidaten und potentielle Kandidaten die gleichen Beitrittskriterien gelten, nämlich jene, die beim Europäischen Rat von Kopenhagen 1993 festgelegt wurden. Hinzu kommt neuerdings noch die Absorptionsfähigkeit der EU.

Dr. Elisabeth Hagen vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche gab einen fundierten Überblick über die Wirtschaftsentwicklung der Länder Zentral- und Südosteuropas seit dem Fall des Kommunismus. Dabei sei das Wachstum wesentlich von Produktivitätssteigerungen angetrieben worden. Nach einer Periode steigender Arbeitslosigkeit sei dort in letzter Zeit eine deutliche Verbesserung der Beschäftigungssituation festzustellen gewesen. Diese Länder werden für die absehbare Zukunft weiterhin höhere Wirtschaftswachstumsraten haben als die alten EU-Mitgliedstaaten. Die Entwicklung der österreichischen Wirtschaftspräsenz in den Ländern Mittel- und Südosteuropas sei umso bemerkenswerter, als die österreichische Wirtschaft vor 1989 nicht sonderlich international ausgerichtet war. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass Österreich bei den Direktinvestitionen in diesen Ländern unter den Spitzenreitern ist: kulturelle Bande, geographische Nähe, kleine Märkte etc.

Prof. Dr. Soko Tanaka gab einen Überblick über die Entwicklung der betreffenden Länder aus japanischer Sicht und dokumentierte die beeindruckenden Wirtschaftserfolge Österreichs. Österreichisch-japanische Zusammenarbeit könne seiner Ansicht nach vor allem zwischen den dort stark vertretenen österreichischen und japanischen Produktionsfirmen sowie zwischen Banken beider Länder stattfinden.

Sicherheit in Europa

Univ.-Prof. Dr. Hanspeter Neuhold referierte über die aktuelle Sicherheitslage in Europa, indem er sich auf die Entwicklung seit dem Ende des Kalten Krieges, die neuen Gefahren für Europa und deren institutionelle Dimension konzentrierte. Nachdem nach Beendigung des Kalten Krieges eine unipolare Situation entstanden war, wo der Westen, v. a. die USA, ohne UN-SR Res. nichtdefensive Aktionen durchführen konnte (z.B. Kosovo 1999), ist in letzter Zeit Russland, gestärkt durch die großen Einnahmen aus der Gas- und Erdölförderung, mit großem Nachdruck für seine Eigeninteressen eingetreten (Suspendierung des KFE-Vertrages, Unterbrechung der Gasexporte, vehementer Widerstand gegen die geplante Stationierung von US-Abwehrraketen in Polen und die Installierung eines Radarsystems in Tschechien).

Zu den Hauptgefahren für Europa gehöre heute der islamische Terrorismus, der total ist: in der Maximierung der Opfer, in der Verwendung der Waffen, in der geographischen Ausbreitung und im Ziel der Errichtung einer islamischen Weltherrschaft. Weitere Gefahrenquellen seien das organisierte Verbrechen (Drogen, Menschenhandel etc.), Energie(un-)sicherheit, Klimawandel, Gesundheitsprobleme, Massenmigration.

Zu den bestehenden Institutionen meinte Neuhold, dass die NATO, die OSZE und die EU bessere Zeiten gekannt hätten: Die NATO gehöre zu den Verlierern des Kalten Krieges, weil der Feind verloren gegangen sei und damit das Dilemma aufgetaucht sei rro go of area or to go out of businesszホ Daher habe sie ihre Aktivitäten auf die Durchsetzung von Sicherheitsresolutionen im ehem. Jugoslawien, den Versuch der Stabilisierung von Afghanistan etc. ausgedehnt. Trotzdem suche sie weiter nach einer neuen Identität.

Die OSZE leide unter den Schwierigkeiten, 1. dass Russland kritisiere, dass sie sich nur auf Osteuropa und Menschenrechte, nicht Sicherheit konzentriere, 2. dass die USA zu wenig an der OSZE interessiert sei, und 3. dass die EU einige der OSZE-Aktivitäten dupliziere.

Die EU habe sich an die neue Situation nach dem Kalten Krieg angepasst, indem sie im Kontext der ESVP z.B. eine Rapid Reaction Force aufgebaut habe. Durch den Lissabonner Reformvertrag sollte die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU schlagkräftiger werden.

Prof. Dr. Takako Ueta gab eine Betrachtung über die Sicherheitssituation in Europa aus japanischer Sicht. Sie unterstrich, dass die NATO nicht überholt sei und eine globale Partnerschaft mit Japan und Australien eingehen solle. Weiters erinnerte sie, dass die Beibehaltung des EU-Waffenembargos gegen China vitale Sicherheitsinteressen Japans betrifft. Außerdem solle sich Japan bewusst werden, wie wichtig die EU für Japan ist.

Kulturaustausch zwischen Japan und Österreich

Die österreichische Botschafterin in Japan Dr. Jutta Stefan-Bastl referierte über den Kulturaustausch zwischen Österreich und Japan und erklärte, warum Österreich in solch besonderem Ausmaß als rIulturnationzタangesehen werde. Zwei Drittel der Artikel, die international über Österreich geschrieben werden, beziehen sich auf kulturelle Themen. Die Habsburger hätten die Kultur als emotionell einigendes Instrument ihres Vielvölkerreiches benützt, z.B. Musik oder Architektur. Die wohlhabende Aristokratie habe ihre Macht und ihren Reichtum auf kulturellem Gebiet gezeigt, weil sie es politisch nicht durfte. Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert habe zur Schaffung einer österreichischen kulturellen Identität besonders beigetragen. Der Jugendstil bildete dabei eine kulturelle Brücke zu Japan und der Einfluss Japans auf die Kunst Europas wurde wesentlich durch die japanische Präsenz bei der Wiener Weltausstellung 1873 gefördert. Der österreichische Jugendstil sei dabei japanischer gewesen als andere Ausprägungen des Jugendstils, indem er eine eigene, zweidimensionale Sprache spreche.

Österreich beeinflusse Japan auf dem Gebiet der Musik in besonderer Weise. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die unterbrochenen kulturellen Beziehungen wieder intensiviert. Das erste Gastspiel der Wiener Philharmoniker fand unter der Leitung von Paul Hindemith im Jahr 1956 statt, als das Orchester mit sehr großem Erfolg 17 Konzerte in ganz Japan gab. Heutzutage gibt es jährlich etwa 400 Konzerte österreichischer Musiker in Japan. Viele japanische Studenten studieren Musik in Österreich. In letzter Zeit wurde ein wissenschaftlicher Vergleich zwischen Renaissancemusik und japanischer Hofmusik begonnen, der interessante Ergebnisse bringen könnte.

Das große japanische Interesse an Musik und der österreichischen Kunst macht es für einen österreichischen Botschafter einerseits leicht, in Japan österreichische Kultur zu vermitteln. Andererseits ist es schwierig, neue, moderne Ideen und Kunst aus Österreich in Japan zu verbreiten. Es ist aber notwendig, auch die junge, zeitgenössische Kunst der japanischen Öffentlichkeit zu vermitteln und dies wird eines der Ziele im Österreich-Japan-Jahr 2009 sein.

Schließlich berichtete die Künstlerin Hiroko Inoue über ihre mannigfachen Aktivitäten während ihres Aufenthaltes in Wien im Jahr 2005. Dazu gehört eine Photoausstellung und verschiedene Kurse in japanischer Kultur für Schüler aller Schulstufen und Studenten, die auf großes Interesse gestoßen seien.

Die 11. Tagung des Österreichisch-Japanischen Komitees bewies damit neuerlich, wie sehr der Gedankenaustausch zwischen Fachleuten der beiden Länder gegenseitig befruchtend ist. Deshalb hatten auch die Premierminister Junichiro Koizumi und Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel bei ihrem Treffen in Tokio im April 2006 ihr Interesse daran besonders hervorgehoben.

Die nächste Tagung soll im November 2008 in Wien stattfinden.

Botschafter i. R. Dr. Nikolaus Scherk

Die japanischen Mitglieder des Komitees

Vorsitzender: Yoshio Ishizaka, Berater des Vorstands, Toyota Motor Corporation
Dr. Takako Ueta, Professorin für internationale Beziehungen, International Christian University, Tokio
Dr. Soko Tanaka, Jean Monnet Professor, Chuo University, Tokio
Akira Yamaji, ANA Strategic Research Institute
Itaru Umezu, Botschafter in Österreich (zum Zeitpunkt der Tagung - Anm. d. Red.)
Etsuro Honda, Stellv. Generaldirektor der Europa-Abteilung des Außenministeriums
Hitoshi Ozawa, Leiter der Unterabteilung Mittel- und Südosteuropa des Außenministeriums

Die österreichischen Mitglieder des Komitees

Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Gerhard Bruckmann, Abgeordneter zum Nationalrat i. R.
Mag. Max Kothbauer, Präsident des Universitätsrates der Universität Wien
Prof. DIng. Helmut List, Chairman und CEO der AVL List GmbH.
Univ.-Prof. Dr. Hanspeter Neuhold, Professor für Völkerrecht und Internationale Beziehungen, Universität Wien
Dr. Walter Koren, Leiter der Außenwirtschaftsorganisation der WKO
Botschafter i. R. Dr. Nikolaus Scherk, ehem. Leiter der Abteilung Asien & Pazifik, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten
Dr. Jutta Stefan-Bastl, Botschafterin in Tokio
Dr. Elisabeth Hagen, Geschäftsführerin, Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche


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