Japan heute und morgen

Was die Neuheit eines Landes nutzen kann

Seneca hat einst seinen Freund Lucilius gefragt, was die Neuheit eines Landes nützen könne. Von 10. bis 20. Oktober ergründete ich im Zuge eines großzügigen Stipendiums des japanischen Außenministeriums das mir bis dahin unbekannte Japan, und würde mich Seneca nach dem Wert einer Reise fragen, mir fielen viele Antworten ein. Zusammen mit 28 anderen Europäerinnen und Europäern hat mich die Hochtechnologie Japans tief beeindruckt, und der Fleiß sowie Ehrgeiz dieses Volkes hat mich inspiriert und angespornt, selbst härter zu arbeiten. Sowohl die Besuche der Firma Kitajima-Shibori und des Panasonic Centers als auch die aufschlussreichen Vorträge im japanischen Außenministerium und von Herrn Goro Fukushima im Nippon Keidanren haben mein Image Japans als führende Technologiemacht bestätigt.

Frau Wallinger

Die jahrtausendealte Kultur Japans hat mich besonders erfreut. Als asiatisch-amerikanische Literaturwissenschaftlerin durfte ich die oft in Gedichten beschriebene Teezeremonie, den traditionellen japanischen Tanz, Kabuki Theater und das Blumenstecken mit eigenen Augen und Ohren erleben. Herrliche Erinnerungen habe ich auch deshalb an diese Ereignisse, weil uns das japanische Außenministerium diese Kulturgenüsse bei den renommiertesten Adressen zuteil werden ließ: die Teezeremonie in der Urasenke Schule, Kabuki Theater im Kabuki-za in Tokyo (inklusive leckerem Obento, das auf dem Theatersitz verspeist wurde), Ikebana an der Sogetsu-Kaikan, japanischer Tanz an der ICU und ein Taiko Konzert von Nagisa Taiko. Mein Leben wurde aber auch dadurch bereichert, dass ich zehn Tage lang rund um die Uhr versorgt und verwöhnt wurde. Ich denke hier an die wundervollen Hotels (wo könnte es eine ernsthafte europäische Konkurrenz für Chikurin-in Gumpoen Ryokan in Nara geben?), das hervorragende Essen und die präzise und enthusiastische Reiseleitung von Frau Shiga und Herrn Yamada. Japans Wichtigkeit in asiatischen und transkontinentalen Belangen wurde mir nicht zuletzt in der Diet of Japan bewusst, wo sich der hospitable frühere Ministerpräsident Yoshiro Mori sogar bereit erklärte, mit uns jungen Europäern ein Gruppenfoto zu machen.

Obwohl wir uns alle auf dieser Reise komplett sicher fühlten, machten uns Nordkoreas Bombentests besonders in Hiroshima sehr traurig. Die ruhigen Fontänen des Brunnens vor dem Hiroshima Peace Memorial Museum erweckten allerdings Hoffnung in uns, dass sich derartige Gräueltaten nicht wiederholen werden. In Hiroshima durfte ich einen Tag bei einer Gastfamilie verbringen. In dieser Zeit sollte ich dank der großzügigen und offenen Ichiba Familie die japanische Seele näher kennen lernen. An Frau Professor Sellner von der Universität Salzburg habe ich an diesem Tag besonders oft in Dankbarkeit gedacht. Mit viel Geduld hat sie mir mehrere Semester lang die japanische Sprache und Kultur näher gebracht, sodass ich mit der dreijährigen Ichiba Sakura einige Worte wechseln konnte. Auch die Gastfreundlichkeit der Nagisa New Town Bürger - inklusive herrlicher Hausmannskost und Origami Crashkurs - bleibt unvergessen. Das Meer an freundlichen, herzlichen Japanerinnen und Japanern allerorts hat mir bewusst gemacht, wie wichtig es ist, auch in unserem Land eine solche Gastfreundschaft zu praktizieren.

Die vielen Tempel und Schreine in Tokyo, Nara und Kyoto haben mich verzaubert. Zahlreiche Impulse des Zen Buddhismus konnte ich in mein österreichisches Leben mitnehmen, und ich hoffe, dass das Weisheitswasser des Kiyomizu-dera seine Wirkung bald entfalten wird. In manchen Momenten blieb mir ob der reinen Schönheit der Atem stehen, zum Beispiel beim Anblick des Kinkaku-ji Tempels, eines unendlich großen Bambuswaldes bei Arashiyama und des Großen Buddhas von Nara. Ein ganz besonderes Erlebnis stellte für mich das Beobachten einer Shinto Hochzeit im Meiji Schrein in Tokyo dar. An einem freien Vormittag konnte ich nach vierjähriger Trennung meine liebe Freundin Misato treffen, die mich an diesen magischen Ort führte.

Was kann nun also die Neuheit eines Landes nutzen? Zum einen stellt es eine Möglichkeit dar, neue Denk- und Lebensweisen kennen zu lernen sowie in Kontakt mit Menschen anderer Kulturkreise zu treten. Zum anderen kann die Schönheit eines Landes das eigene Leben und die eigene Lebenseinstellung erhellen. Die Reise war bestens organisiert, großzügigst arrangiert und liebevollst umgesetzt - dank Frau Morita und Herrn Yamada vom japanischen Außenministerium. Am meisten Dank aber gebührt Herrn Direktor Senoo von der Japanischen Botschaft in Österreich. Ich wurde von ihm ausgewählt, die bezauberndste Reise meines Lebens anzutreten - Dankeschön!

Brigitte Wallinger

Frau Wallinger reiste im Rahmen des Programms „Study Tour of Japan for European Youth” des japanischen Außenministeriums von 10. bis 20. Oktober 2006 nach Japan.


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