Japan heute und morgen

Das Komitee für 21. Jahrhundert tagte in Wien

Der gemischte japanisch-österreichische Weisenrat zur Diskussion langfristiger Probleme gemeinsamen Interesses, genannt Komitee für das 21. Jahrhundert, tagte am 30. und 31. Oktober 2006 zum zehnten Mal. In seiner Eröffnungsbotschaft an das Komitee hob der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle hervor, dass das Komitee in den zwölf Jahren seines Bestehens ein wichtiger Bestandteil der Beziehungen zwischen Österreich und Japan geworden ist. Deshalb hätten die Regierungschefs Schüssel und Koizumi bei ihrem Treffen in Tokio am 24.4.2006 das Wirken des Komitees ausführlich besprochen und in ihrer Gemeinsamen Erklärung ausgeführt: took note with satisfaction of the past achievements of the Committee and shared the view that (it) should be enhanced as a venue for further productive exchanges of opinion of eminent experts.

Symposium über The Energy Dilemma

Den ersten Teil der Tagung bildete ein Symposium zum Thema Energiesicherheit. Dr. Ken Koyama wies unter dem Titel Energy Security Challenges in Asia auf die stark steigende Energienachfrage in Asien hin (Verdoppelung von 2003 bis 2030 erwartet), die durch das rasante Wirtschaftswachstum in China und Indien getrieben ist. Dadurch steige die Abhängigkeit von Erdölimporten (dzt. ca. 60 % des Verbrauches, 2030: 90 %). Gleichzeitig sei es sehr wahrscheinlich, dass die Ölimporte aus dem Nahen Osten übermäßig in die Höhe klettern werden. Derzeit versuche jedes Land einseitig, seine Energieversorgung sicherzustellen, und zwar durch Diversifizierung (Erdgas, Kernkraft etc.), Streuung der Herkunftsländer von Importen, Investitionen in ausländischen Ölfeldern, Anlegung von strategischen Ölreserven etc. Dabei bestehe die Gefahr von Rivalitäten und Spannungen, weshalb Zusammenarbeit zwischen den Hauptimportländern Asiens angezeigt wäre, um größere Versorgungssicherheit zu erreichen. Mit den Erdöl exportierenden Ländern, die stabile Nachfrage benötigen, bestehe Interdependenz, weshalb sich Zusammenarbeit mit ihnen anbiete.

Der Experte Univ.-Prof. Günther Brauner wies auf die Komplexität des Themas Energiesicherheit hin: Sicherheit der Ressourcen, der Transportwege, der Umwandlungskapazitäten (Raffinerien etc.) und der Verteilung (Transmissionsleitungen etc.). Die EU hat dazu zwei Strategiedokumente veröffentlicht: Green Paper: Towards a European Strategy for the Security of Supply (2000) und Green Paper on Energy Efficiency (2006). Sowohl beim Gesamtenergieverbrauch der EU als auch bei thermischen Kraftwerken sei eine weiter steigende Verwendung vor allem von Erdgas zu erwarten. Für das Jahr 2030 sei eine Importabhängigkeit der EU bei Erdöl von ca. 87 % zu erwarten, bei Erdgas von 80 %. Die EU habe ein Energiesparpotential (bis 2020) in Haushalten von 27 %, in Bürogebäuden von 30 %, im Verkehr von 26 % und in der Industrie von 25 % errechnet. Zusammenfassend stellte Brauner fest, dass 1) Energieeffizienz ökonomischer ist als die Erschließung neuer fossiler Energiequellen, 2) in gewissen Sektoren der Ersatz von fossilen durch erneuerbare Energiequellen vielversprechend ist, 3) passive Solartechnologie für Gebäudeheizung und -kühlung zu erheblichen Einsparungen führen kann, 4) der Individualverkehr weiterhin von fossilen Energiequellen abhängig bleiben wird, und 5) Österreich daher weiter große Mengen von Erdöl, Erdgas und Kohle importieren muss.

Zum Thema Alternative Strategien stellte Dr. Koyama die Neue Nationale Energiestrategie Japans vom Mai 2006 vor, die bis 2030 eine Reduzierung des Anteils von Erdöl auf 40 % (dzt. 70 %), die Erhöhung des Anteils von Kernkraft auf 30-40 % und eine Steigerung der Energieeffizienz um 30 % vorsieht. Weiters soll die Erschließung ausländischer Erdöl- und Erdgasfelder unterstützt und die importierte Rohölmenge in Japan bis zu 40 % erhöht werden. Die dabei bestehenden Risken fasste er wie folgt zusammen: strukturelle Energieknappheit durch wachsende Nachfrage, Wettlauf um Energiequellen mit neu aufkeimenden Staaten mit übermäßigem Energieverbrauch wie China und Indien, geopolitische Spannungen, Investitionsrisiken bei der Erschließung von Öl- und Gasfeldern, beim Bau von Pipelines etc.

Außerdem beantwortete Herr Yoshio Ishizaka Fragen aus dem Publikum betreffend die Fortschritte japanischer Automobilproduzenten bei der Entwicklung und Vermarktung von Kfz mit Hybridmotoren (mit teilweisem Treibstoff aus erneuerbaren Quellen), womit bis 2030 eine Einsparung der Energie für Verkehr in Japan um 20 % erzielt werden soll. Darüber hinaus erwähnte er eine weitere Steigerung der Energieeffizienz als Folge der Technikerneuerung, die sich nicht nur auf Benzin stützt, wie beispielweise Hybrid usw.

Die Expertin Dr. Angela Köppl sprach sich nachdrücklich für ein neues Energiesystem in Österreich aus. Die Energiestrategie der EU sei ein guter Ausgangspunkt für ein dauerhaftes Energiesystem: höhere Energieeffizienz, Reduzierung des Anteils fossiler Energie, Reduzierung der Treibhausgasemissionen, Versorgungssicherheit, innovative Technologien. Dazu sei allerdings aber Wille zu Veränderung auf politischer Ebene, bei den Produzenten und bei den Konsumenten erforderlich.

Diskussion über The global international system: the roles of Japan, the EU and the USA

In ihrem Einleitungsreferat legte Univ.-Prof. Takako Ueta die Grundzüge der Außenpolitik Japans im spannungsgeladenen Umfeld Ostasiens dar: Demokratien in Japan und Südkorea gegenüber Einparteiensystemen in China und Nordkorea, Bedrohung durch Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen (Kernwaffen- und Raketentests durch Nordkorea), bisher Stabilität durch militärisches Gleichgewicht, das allerdings bedroht ist durch wachsende Rüstungsausgaben Chinas. Japan setze demgegenüber auf die Stärkung seines Defensivbündnisses mit den USA, auf Ausbau der Beziehungen zu Indien, Australien, Neuseeland, Korea und den ASEAN-Staaten sowie auf Zusammenarbeit mit China. Ostasien fehle es an wirksamen regionalen Sicherheitsarrangements, die KSZE zur Zeit des Kalten Krieges könnte als Modell dienen. Die japanische Diplomatie setze auf Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft und weitet Beziehungen mit EU sowie OSZE aus, mit denen Japan gemeinsame Wertvorstellungen teilt.

Univ.-Prof. Dr. Hanspeter Neuhold analysierte die Beziehungen Europas zu den USA und kam zu dem Ergebnis, dass Europa und die USA zwar nach den Meinungsverschiedenheiten über den Irak-Krieg 2003 wieder zu Zusammenarbeit gefunden haben, ohne aber ihre grundlegenden Auffassungsunterschiede (Unilateralismus vs. Multilateralismus, Rüstung vs. Betonung internationaler Institutionen und des Völkerrechts etc.) überbrückt zu haben. Daher sei eine echte, gleichberechtigte transatlantische Partnerschaft nicht in Sicht, da keine der beiden Seiten bereit sei, die Voraussetzungen dafür zu erfüllen: die EU müsse mit einer Stimme sprechen und für ihre eigene Verteidigung sorgen, die USA müssten bereit sein, Verantwortung und Führungsaufgaben zu teilen.

Herr Kazuhisa Shin befasste sich in seinem Referat mit dem globalen internationalen System aus der Sicht der Luftfahrtindustrie. Das starke Wirtschaftswachstum in Asien habe zu einer Steigerung des Luftfrachtaufkommens in der Region um mehr als 10 % pro Jahr seit 2001 geführt. Für die Periode 2006-2025 wird eine weitere Steigerung um mehr als 10 % pro Jahr erwartet, während weltweit ein Zuwachs von 6,1 % prognostiziert wird. Unter anderem bestehe ein intensiver Intra-Industriehandel - insbesondere im Bereich elektronischer Komponenten - zwischen allen Staaten Ost- und Südost-Asiens, der per Luftfracht durchgeführt werde. Die Endprodukte werden ebenfalls per Flugzeug nach Europa und Nordamerika ausgeführt. Im Bereich der Passagierflüge ist die Vernetzung zwischen Asien, Europa und Nordamerika sehr intensiv: 2004 gab es 40 Mio. Flugpassagiere zwischen Europa und Nordamerika, 16 Mio. zwischen Europa und Asien und 12 Mio. zwischen Asien und Nordamerika. In Ostasien wurden regelmäßige Shuttle-Flüge zwischen Tokio, Seoul und Shanghai (in Planung) eingerichtet.

Dr. Walter Koren gab einen Überblick über die Wirtschaftsbeziehungen der EU zu den USA und zu Japan, die einen wesentlichen Teil des Welthandels bestreiten (2006: EU25 12,2 %, USA 8,9 %, Japan 5,9 %, wobei allerdings der Anteil von China von 1986 bis 2006 von 1,6 % auf 9,4 % gestiegen ist). Die EU und die USA sind die größten Handelspartner von einander, wobei ein Viertel der Handelstransaktionen innerhalb multinationaler Gesellschaften erfolgt. Gelegentliche Handelsstreitigkeiten betreffen nur 2 % des Handelsvolumens. Japan ist der fünftgrößte Exportmarkt der EU (4,1 %) und hat einen Anteil von 6 % an den Gesamtimporten der EU. Hinsichtlich der Handelsbeziehungen zu Asien im Allgemeinen plädierte Dr. Koren nachdrücklich für multilaterale Handelsvereinbarungen und für einen positiven Abschluss der in Schwierigkeiten geratenen WTO-Doha-Runde.

Durch die Veranstaltung eines allgemein zugänglichen Symposiums in der Diplomatischen Akademie ist das Komitee mehr als bisher in die Öffentlichkeit getreten. Durch hochwertige Beiträge hervorragender Experten wurde der Wert des Komitees für beide Länder unter Beweis gestellt. Die 11. Tagung des Japanisch-Österreichischen Komitees wird voraussichtlich im Herbst 2007 oder später in Tokio stattfinden.

Ges. Dr. Nikolaus Scherk

Die japanischen Mitglieder des Komitees:

Vorsitzender: Yoshio Ishizaka, Berater des Vorstands, Toyota Motor Corporation
Kazuhisa Shin, Berater des Vorstands, All Nippon Airways (ANA)
Dr. Takako Ueta, Prof. für Internationale Beziehungen, International Christian University, Tokio
Dr. Ken Koyama, Leiter der Strategie- und Forschungsabteilung des Instituts für Energiewirtschaft, Japan
Itaru Umezu, Botschafter in Österreich
Hiroshi Ozawa, Leiter der Abteilung Mittel- und Südost-Europa des Außenministeriums

Die österreichischen Mitglieder des Komitees:

Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Gerhart Bruckmann, Abg. z. NR i.R.
Mag. Max Kothbauer, Präsident des Universitätsrates der Universität Wien
Prof. DIng. Helmut List, Chairman und CEO der AVL List GmbH.
Univ.-Prof. Dr. Hanspeter Neuhold, Vorstand des Instituts für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Universität Wien
Dr. Walter Koren, Leiter der Außenwirtschaftsorganisation der WKO
Gesandter Dr. Nikolaus Scherk, Leiter der Abteilung Asien & Pazifik des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten


Zurück zum Inhaltsverzeichnis