Der Botschafter - Reden & Beiträge

Grußwort zum neuen Jahr

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen alles Gute im neuen Jahr.

Im vergangenen Jahr ist es weltweit zu großen Umbrüchen gekommen. Im Jänner nahm in den Vereinigten Staaten von Amerika die Regierung Trump ihre Arbeit auf; kurz darauf wurde ein Wandel in der amerikanischen Politik fortgeführt, der die bisherige Weltordnung stark verändern wird. Große Aufmerksamkeit erregten im Wirtschaftsbereich u.a. der Austritt aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP), die Neuverhandlungen zum Freihandelsabkommen NAFTA und der Austritt aus dem Übereinkommen von Paris, das gerade erst als Maßnahme gegen die globale Erwärmung geschlossen wurde. Auch auf dem Gebiet der Sicherheit wurde die Einreisekontrolle in die USA als Teil der Stärkung der Maßnahmen gegen den Terrorismus verschärft und die Einwanderungspolitik in großem Maß überdacht. Für fortgesetzte Spannungen in den amerikanisch-koreanischen Beziehungen sorgten die Entwicklungen im Nuklear- und Raketenprogramm Nordkoreas.

Auch in Europa hat sich die Tendenz zu einer europäischen Version des „America first“, in Reaktion auf diese Umbrüche in der Weltlage, verstärkt. Der große Zustrom von Flüchtenden aus dem Nahen Osten und Afrika im Jahr 2015 hat die umfassende Veränderung der Politik in den europäischen Ländern verursacht. Der Humanismus, einer der traditionellen Werte, verblasste und eine Unser-Land-und-unsere-Bevölkerung-vor-dem-Flüchtlingszustrom-von-außen-schützen-wollen-Haltung, gewissermaßen ein „Europe first“, kam zum Vorschein. Zudem wurde mit der Frage einer Quote zur Verteilung von Flüchtenden in der EU und der Belastung des Arbeitsmarktes in Westeuropa durch den Zustrom von Arbeitsmigranten aus Osteuropa ein gesellschaftlich problematischer Gegensatz innerhalb der EU offenkundig.

So steht Europa selbst der Notwendigkeit von Reformen gegenüber und der Zusammenhalt ist in Frage gestellt. In Österreich trat Ende letzten Jahres der 31-jährige Sebastian Kurz das Amt des Bundeskanzlers an und eine Koalitionsregierung aus ÖVP und FPÖ wurde gebildet. Die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei, die international als extrem rechte Partei eingestuft wird, wurde in den Medien umfassend aufgegriffen und die europäischen Nachbarländer verfolgen die neue österreichische Außenpolitik mit großem Interesse. Historisch betrachtet, wird die Freiheitliche Partei zwar als Partei bezeichnet, die ihre Wurzeln in der nationalsozialistischen Partei hat. Als vor nicht ganz 20 Jahren eine Koalition mit der ÖVP gebildet wurde, haben die europäischen Nachbarstaaten Sanktionen in Gang gesetzt. Seither hat die Freiheitliche Partei jedoch als Oppositionspartei schrittweise die Unterstützung der Bevölkerung erlangt, bei den Wahlen im vergangenen Jahr annähernd gleich viele Stimmen errungen wie die SPÖ und sich demokratiepolitisch stabil entwickelt. Man muss in diesem Jahr besonders aufmerksam verfolgen, welche Außen- und Sozialpolitik die neue Koalitionsregierung betreiben wird. Die Aufmerksamkeit wird sich dabei besonders darauf richten, in welche Bahnen die EU-Reformen, einschließlich des Brexits, gelenkt werden, wenn Österreich im 2. Halbjahr 2018 den EU-Ratsvorsitz innehaben wird.

Was die Beziehungen Japans mit Europa bzw. Österreich betrifft, steht der Abschluss des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (EPA) mit der EU kurz bevor und es ist wichtig, dass der Ratifizierungs- und Inkraftsetzungsprozess reibungslos voranschreitet. Im Sicherheitsbereich dürften etwa in Hinblick auf den asiatischen Raum die Lage auf der koreanischen Halbinsel oder die friedliche und freie Wirtschaftsentwicklung der indo-pazifischen Region auch für Europa und die EU eine Angelegenheit von großem Interesse sein. Es ist erforderlich, dass sich Japan und Europa bzw. Österreich bei diesen unterschiedlichen Fragen auf eine Zusammenarbeit einigen. In diesem Sinne wird 2018 wohl mehr noch als das vergangene Jahr ein sehr bewegtes Jahr werden. Japan und Europa sind durch gemeinsame ideologische Wertvorstellungen verbunden, aber heutzutage wird die Welt darüber hinaus auch vom realen und unmittelbaren Nutzen angetrieben. Ich halte es daher für nötig, dass die grundlegenden Wertvorstellungen die Basis jeder Außenpolitik bilden, wir aber zugleich stets praktisch und flexibel reagieren.

Dieses Jahr scheint also ein recht schwieriges Jahr zu werden, dennoch sollten wir nicht vergessen, dass Japan und Österreich eine lange Geschichte der Freundschaft hegen. Im kommenden Jahr 2019 begehen Japan und Österreich das 150-Jahr-Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Vorbereitungen darauf sind in vollem Gange. Gerade weil die Weltlage im Umbruch ist und das Gefühl ungewisser Zukunftsaussichten zunimmt, erachte ich es für wichtig, dass wir frisch an zukunftsorientierten japanisch-österreichischen Beziehungen arbeiten.

Damit wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, von ganzem Herzen alles Gute für das heurige Jahr!

Kiyoshi Koinuma
Botschafter von Japan in Österreich